Monatstreffen April 2017

Bericht:   Lena /  Layout:  Rita  / Fotos:   Stephan


Alte Bekannte, neue Bekannte

Nun meine Lieben, es ist schon eine Weile her, seit ich zum ersten Mal bei Euch zu Gast war. Und obwohl ich nach wie vor ein Exot unter Euch bin, fühle ich mich total
locker und freue mich jedes Mal auf den nächsten Ausflug nach Wangen an der Aare, auf Begegnungen mit den Frauen, die sich wie ich Gedanken über ihr Aussehen machen.
Für diejenigen, die mich noch nicht kennen: Mein Name ist Lena, 49, ich bin gelernte Modedesignerin und Stylistin und führe zwei Modeboutiquen in der Bern Stdt und Bern Bümpliz. Mode & Styling ist meine Leidenschaft. Ich liebe Herausforderungen, beobachte gerne und lerne immer wieder was Neues dazu.
Meine Vision ist, eine Frau so blendend anzuziehen, dass man eine Sonnenbrille brauchen würde, um sie anzusehen; einfach klasse, schmeichelhaft und individuell,

egal in welchem Style. Ja, ich bin eine hoffnungslose Weltverschönerin, gleichzeitig aber selbstkritisch und anspruchsvoll. Mein Styling überlege ich mir ganz genau und bin nicht so schnell damit zufrieden. Und weil ich in der Modebranche tätig bin, fühle ich mich fast verpflichtet, authentisch, sogar vorbildlich zu wirken.
Nach meiner Farb/Typ Analyse bin ich ein True-Sommer. Das bedeutet, dass mir die kalttönigen, resp. mit einem Blau-Anteil, Farben stehen. Das können sowohl entsättigte Pastell-, wie auch gesättigte, leicht getrübte kräftige Farben sein. Von Natur her habe ich einen klassischen weiblichen Körperbau, der an eine Sanduhr erinnert. Ich bin mittelgross und schlank, trotzdem sind meine Formen gerundet ohne hervorstehende Knochen. Die Proportionen Oberkörper – Beinen, Taille – Hüften sind gut ausgewogen. Je nach Lust und Laune kleide ich mich sowohl sportlich-elegant, wie auch verführerisch, extravagant oder glamourös an. Dazu trage ich gerne Highheels, um meine Beine optisch zu verlängern. Heute habe ich mich für einen sportlich-eleganten Stil entschieden, jedoch in dramatischen Komplementärfarben Türkisgrün und Himbeerrot. Die Komplementärfarben sind zwei Farben, die im klassischen Farbkreis gegenüberstehen und zusammen gemischt eine Grau/Schwarz ergeben. Es kann auch eine Gelb-Violett oder eine Orange-Ultramarin komplementäre Kombination sein, die unerwartet spannend und trotzdem harmonisch aufs Auge wirkt. Aber weil ich ein Sommer-Typ bin, sind die Farbtöne mit Gelb, ausgenommen kalte entsättigte Zitronengelb, die mir nicht gut stehen. In der Regel ziehe ich mich aber in mehr als zwei Farben an. Abgesehen davon, dass es ganz schwierig ist, absolut Ton-in-Ton Farbe zu treffen, langweilen die zwei Farben sehr, vor allem, wenn sie von oben nach unten „geschichtet“ werden.Zum Beispiel ein roter Kopfschmuck, danach ein weisses Oberteil, danach ein roter Rock, danach die weissen Strümpfe und anschliessend die roten Schuhe. Viel besser wäre zum Beispiel ein roter Kopfschmuck, rote Bluse, weisser oder noch besser Rot-Weiss gemusterter Rock, (lieber) Strümpfe in Hautfarbe und anschliessend die roten Schuhe.
Nun zurück zu meinem Outfit. Meine Veston in Himbeerrot und Jeans in Türkisgrün habe ich mit einer weissen Bluse als Kontrast kombiniert. Zum Gesicht getragen hat Weiss ausserdem immer eine auffrischende Wirkung. Die Krönung eines Outfits sind die Accessoires. Und weil sie auch Stil, resp. Charakter haben, sollten sie nicht nur nach Farbe, sondern auch nach Form und Material abgestimmt werden. Nun habe ich mein sportlich-elegantes Look durch Ton-in-Ton lasurblauen Pumps mit dicken Absätzen, schmalem Ledergürtel und einer geräumigen Henkel-Tasche ergänzt. Ganz besonders möchte ich was zu Foulards und Schmuck sagen. Es können nicht zu viele Foulards und Schmuck in der Damengarderobe sein! Gewusst wie, kann man damit ein Look total aufpeppen oder sogar verändern.  Dieses Mal habe ich meinen Look mit einem bunten Türkis-Pink-Hellblau Foulard aus Batist – dünnem Baumwoll-Stoff und einem Ohrringen/Ring-Set aus Silber mit synthetischen Türkissteinen aufgepeppt. Eine Uhr mit dem hellblauen Lederarmband dazu – und schon fertig mein Style für heute!
Weil ich an einem neuen Projekt zum Thema Styling arbeite und weil ich es gegenseitig bereichernd finde, wenn auch die biologischen Frauen an dem Anlass teilnehmen, habe ich dieses Mal meine Kollegin mitgebracht. Olga ist eine junge (28), schlanke und überdurchschnittlich grosse Frau. Ihr typischer Model-Körperbau mit geraden Schultern, langen Beinen und Armen, schmalen Hüften und wenig Busen wird als „column“ bezeichnet. Generell trägt sie gerne weitschweifende, trapezförmige, manchmal auch androgyne Kleider in dramatischen Farben Schwarz, Weiss oder Rot, auch gestreift oder kariert, dazu flache Ballerinas und quadratische mittelgrosse bis grosse Taschen, sowie ein Klatsch oder Shopper.
Nach meiner Farb/Typ Analyse ist sie ein True-Winter. Das bedeutet, dass ihr auch die kalttönigen Farben – entweder glasklare Pastell- oder im Gegensatz zum Sommer-Typ, ganz kräftig gesättigte Farben stehen. Der Winter-Typ hat viel Kontrast im Gesicht und hiermit ist der einzige Typ, dem Schwarz so richtig schmeichelt. Heute hat Olga sich für einen casual-minimalistischen Stil entschieden. Zu einem schwarzen Shirt und breiten, Schwarz-Weiss gestreiften ¾ Hosen trägt sie eine enge Lederjacke und wenig Schmuck in Silber. Ihre Brille in der schwarzen Fassung kontrastiert  perfekt mit ihrem Schneewittchen-Hautton. Die schwarzen, spitzigen Nieten-Ballerinas und ein Love MOSCHINO Klatsch mit einem Pop-Art Motiv, teilweise auch mit den Streifen, runden ihren imposanten Look ab. Olga ist experimentierfreudig und offen für die neuen Erfahrungen. Auf meine Frage nach dem Anlass, was ihr am besten gefallen hat, spricht sie über ausgezeichnet positive Stimmung, voll von Leben, Weiblichkeit und Emotionen und hofft auf ein baldiges Wiedersehen.
Ein anders Mädchen mit strahlendem Gesicht eilt sich mir entgegen: „Ich freue mich so sehr, dich hier zu treffen!“ Und ich freue mich auch. Caroline und Bruno habe ich vor ein paar Monaten in HAB Zürich kennen gelernt, damals kurz vor ihrer Hochzeit. Zu ihrer Person sagt sie: „Ich selbst bin jetzt endlich in meinem Geschlecht angekommen, wie ich es schon seit meiner Kindheit wünschte und wollte. Ich war nie etwas anders oder jemand anderes als eine Frau, und das sage ich auch im Interview mit dem SRF DOK. Da bin ich eine Auserwählte an dem Projekt. Heute bin ich glücklich verheiratet und versuche soviel wie möglich Trans*personen zu helfen und sie zu unterstützen, wo und wie ich kann. Zurzeit versuche ich zwei Projekte aufzuziehen, das erste ist ein Anlass in Schaffhausen-Region zu organisieren und das andere ist ein Buch zu schreiben“.  Zum Event ist sie gekommen, um neue Kontakte zu knüpfen und nette Leute zu finden, was sehr gut geklappt hat. Ausserdem wollte sie danach fragen, wo man grosse Schuhe zu erschwinglichen Preisen finden kann. Der Event selbst fand sie sehr gut und angenehm, wenn da nur nicht die Preise vom Al Ponte wären. Ausserdem ist es nicht gerade um die Ecke.
Eine weitere neue Schönheit ist mir sofort aufgefallen. Tina hat mich mit ihrer schlichten Eleganz und Weiblichkeit beeindruckt. Wir haben uns leider sehr kurz unterhalten, dafür erklärte sie sich bereit meine Fragen nachträglich zu beantworten. Auf das Event ist sie erstmals durch eigene Internet-Recherche vor ein paar Jahren aufmerksam geworden. Unter anderem suchte sie nach Antworten ob es gleichgesinnte Menschen gibt – und was die offiziellen Unterschiede zwischen CD, TV, TS etc. bedeuten. Aber auch nach Anlässen und Events suchte sie bei Tante Google, weil sie rausgehen und gleichgesinnte Menschen treffen wollte.
Dank den Informationen auf GWHF wusste sie, dass sie nicht alleine ist und wagte dann die ersten Schritte nach Oensingen und Kloten – zum Tanzen und Quatschen. Das GWHF rückte vorerst und leider in den Hintergrund… Aber dank ihrer lieben Beziehung und möglicher Offenheit zu leben, beschloss sie einen Besuch der GWHF im Al Ponte abzustatten. Sie hofft darauf, dass durch die Offenheit sich noch einiges positiv ändern wird. Tina liebt schöne Kleider, Mode und Design – Beauty und Fashion – und will am liebsten stilvoll, natürlich und modisch als Dame shoppen gehen. Aber ja, sie gibt zu, dass sie ihre Shorts liebt und will es ihren Beinen nicht vorenthalten…
Da sie alleine ans treffen ging – war ihre Erwartung, dass sie schnell Anschluss findet und nicht abgestossen wird. Das hat alles super und wunderbar geklappt – und das hat sie überaus glücklich gemacht. Die Erwartungen wurden sogar übertroffen, als sie nach dem Anlass noch gemeinsam in den Ausgang nach Bern ging. Als Bernerin erstmals in einer Gruppe und bekannter Szene unterwegs zu sein war aufregend und schön. Besonders haben ihr die Gespräche, die Offenheit, Natürlichkeit und Lockerheit gefallen. An dieser Stelle herzlichen Dank an Regina für den Startschuss/Integration am Apéro und Essen sowie allen anderen Anwesenden am Tisch – es war mega.Ja, es war ein schöner erster Abend im Al Ponte – und es wird bestimmt nicht ihr letzter sein. Sie freut sich über die kommenden Gespräche und das Kennenlernen von den GWHF. Gut, dass es die GWHF gibt. Die Idee und Konzept dahinter findet sie absolut spitze und unterstützend und sie hofft darauf, dass sie noch ganz viele lange Jahre weiter bestehen bleibt.
Auch für mich persönlich sind aus diesen Treffs so einige tolle und warmherzige Bekanntschaften entstanden. In der Zwischenzeit auch ausserhalb von GWHF ziehe ich gerne mit den Mädels durch die Berner Altstadt. Die neuen Erfahrungen aus Trans*Szene reizen und sensibilisieren mich gleichzeitig. Am besten gefällt mir, wie die Mädchen selber mit dem Thema umgehen – ganz natürlich und locker. Was mir ein wenig fehlt ist eine aufrechte Körperhaltung mit einem hoch gehobenen Haupt. Dass die Mädchen nicht immer durchkommen, ist mir klar. Aber wenn man mich fragt, wenn auffallen, dann schon mit Stolz und Klasse. Ich mag Euch!

Lena

Fotos vom GWHF Monatstreffen April 2017